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Montag, 20. Mai 2024

Bericht aus der Geburtsstätte der Heiligen

Die Operationen dauern sehr lange. Die Ärzte an der Front suchen nach Splittern in den Eingeweiden und der Leber. In der Nacht wurde ein Mann in der Brust verwundet: Die Kugel drang auf der einen Seite des Körpers ein, durchschlug die Rippen und trat auf der anderen Seite wieder aus. Das Herz wurde dabei gequetscht. Der Chirurg, der diese Wunde operiert hat, sieht aus wie ein unbeholfener molliger Großstädter. Er geht in den "Teeraum", einen Raum, in dem ein schmales Sofa, ein Tisch und ein Stuhl zusammengequetscht sind. Er setzt sich auf diesen einzigen Stuhl, schneidet ein Stück Torte ab und isst es nachdenklich. "Wie gut, dass ich eine Torte aus Moskau mitgebracht habe", denke ich. Die Hände des Chirurgen zittern. Seine Kollegen - Absolventen der Marineakademie - machen sich über ihn lustig. Ein halb entlüfteter Luftballon fliegt durch den Raum. Und jeder Chirurg schiebt ihn von sich weg.

Der Strom der Verwundeten scheint endlos zu sein. Zehn Minuten Tee und das war's. Dann kommt die nächste Operation. Oder vielleicht sind es nicht einmal zehn Minuten. Ich sehe mir den phlegmatischen Dicken an und kann ihn mir am ehesten in Moskau vorstellen, aber nicht hier. Und dann erfahre ich, dass er der erste war, der ein Feldlazarett an der Cherson-Front einrichtete. Alle drei haben lange Zeit an der Front gearbeitet. Einer von ihnen operiert mit einer Bandage, die ihn wie einen Beduinen aussehen lässt. Der zweite ist rothaarig, groß, zynisch und scherzhaft. Und der dritte ist dieser dicke Kerl.
 
'Beduine' sagt, dass der Mensch im Krieg extrem durchschaubar ist. In Moskau können wir versuchen, einen Menschen nach seinem iPhone zu beurteilen, nach den Ohrringen in seinen Ohren. Und trotzdem können wir ihn nicht durchschauen. Aber im Krieg ist ein Mensch auf einmal glasklar - durch die Art, wie er sich verhält, sei es zu sich selbst oder zu anderen. Der Beduine sagt, dass die Menschen im Krieg die höchste geistige Entwicklung erreichen. Das, wofür wir eigentlich geschaffen wurden. Und diese höheren Sphären seien so attraktiv, dass es nicht mehr möglich ist, ohne sie zu leben. Und man bleibe im Kern dieses Höheren, trotz der tödlichen Gefahr. In diesem Zustand könnte der Chirurg sogar einen Verwundeten mit seinem Körper zudecken und ihm das Leben retten.

- Ich werde doch nicht irgendeinen Kerl mit meinem eigenen Körper schützen", sagt der Zyniker.
- Haben Sie das jemals getan? - frage ich den Beduinen.
- Ich habe Leute gesehen, die das getan haben, sagt der Beduine und schaut den Zyniker fragend an.
- Haben Sie das getan? - Ich wiederhole die Frage.
- Ich habe Leute gesehen, die das getan haben", sagt der Beduine und wendet seinen Blick schon wieder dem Zyniker zu.

In einer Minute werden weitere Verwundete hereingebracht und alle werden die dunkle, kalte Treppe hinunterrennen. Aber noch schieben zwei Chirurgen einen Luftballon zwischen sich und der dritte isst Kuchen und rollt seine traurigen Augen zur Decke hinauf. Ich weiß schon, was er durchmacht - er hat nicht geglaubt, dass er mit der Behandlung der letzten Wunde zurechtkommt. Er steht unter großem Stress. Aber in fünf Minuten wird er fest am Operationstisch stehen. Und ich beginne zu verstehen, warum manche Chirurgen heiliggesprochen wurden.
Quelle

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Herr und alle seine Engel mögen diese tapferen Ärzte beschützen. Jetzt und immerdar.

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen zu Herzen gehenden Bericht, lieber Admin!

Anonym hat gesagt…

MASH. M*A*S*H.

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