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Freitag, 11. August 2023

Kleine Analyse: Info-Müll vom ZDF

Wenn man sich die deutsche Presse anschaut, stößt man leider immer wieder auf ziemlich erbärmliche Artikel über Russland. Die haben zum Teil ein so mickriges journalistisches Niveau, das in Russland selbst für einen Dorfnachrichtenblog unvorstellbar ist. Hier mal ein solcher Artikel vom ZDF (Quelle) mit unseren Anmerkungen:

Der Rubel schwächelt seit Monaten und befindet sich auf dem tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2022 - auch wegen der westlichen Sanktionen.

Der heutige Kurs liegt bei etwa 108 Rubel pro Euro. Im Frühjahr 2022 lag der Wechselkurs bei etwa 106 Rubel pro Euro. Von Juli bis Oktober war der Wechselkurs meist NIEDRIGER als 60 Rubel pro Euro. Oder ist dies eine überflüssige Information für die deutschen Leser?

Für viele Russen bedeutet das: Sparen.

Falsch. Für die meisten Russen kann es absolut nichts bedeuten. Für diejenigen, die Devisen haben, bedeutet es sogar - die Preise sind gesunken.

Igor Inkin, 63 Jahre alt und mittlerweile pensioniert, verzichtet auf Desserts und andere kleine Freuden des Lebens.

Falsch. Sieh oben.

"Die Preise in den Geschäften gehen nach oben und wir müssen unsere Ausgaben anpassen"

Falsch. Die Preise können leicht steigen, aber direkt hat das kaum etwas mit dem Rubelkurs zu tun. Igor lebt in Moskau, was fast automatisch bedeutet, dass seine Rente ausreicht, um sich nicht zu viele Gedanken über "Ausgaben anpassen" zu machen. Außerdem sind die Preise, wie gesagt, für diejenigen, die Devisen haben, gesunken.

Er steht im Zentrum von Moskau und findet diese Entwicklung allmählich "beunruhigend". Anderthalb Jahre westliche Sanktionen und sinkende Öleinnahmen haben Spuren hinterlassen.

Falsch. Der allerletzte Ort, an dem westliche Sanktionen und sinkende Öleinnahmen theoretisch Spuren hinterlassen können, ist ausgerechnet das Zentrum von Moskau.

Rubel auf niedrigstem Stand seit Frühjahr 2022

Der heutige Kurs liegt bei etwa 108 Rubel pro Euro. Im Frühjahr 2022 lag der Wechselkurs bei etwa 106 Rubel pro Euro. Von Juli bis Oktober war der Wechselkurs aber meist NIEDRIGER als 60 Rubel pro Euro. Nur die Zahlen verwenden, die man mag?

Der Rubel schwächelt nach kurzen Hochphasen seit Monaten und hat durch den Aufstand der Söldnertruppe Wagner Ende Juni noch einmal an Wert verloren.

Falsch. Der Rubelkurs ist seit dem 12. Mai 2023 gleichmäßig gesunken. Ende Juni gab es keine besonderen Einbrüche.

Am Donnerstag wurden 107 Rubel für einen Euro gehandelt und 97 Rubel für einen Dollar - der niedrigste Wert für die russische Währung seit Frühjahr 2022.

Nochmals: Der heutige Kurs liegt bei etwa 108 Rubel pro Euro. Im Frühjahr 2022 lag der Wechselkurs bei etwa 106 Rubel pro Euro. Von Juli bis Oktober war der Wechselkurs meist NIEDRIGER als 60 Rubel pro Euro. Nur die Zahlen verwenden, die man mag?

Das verteuert die Importe.

Vielleicht, aber die Einzelhandelspreise für "Igor" sind im Moment ganz sicher nicht betroffen.

Die Inflation steigt, was die Zentralbank des Landes jüngst zu einer kräftigen Leitzinserhöhung veranlasste.

Am 21. Juli 2023 erhöhte die russische Zentralbank ihren Leitzins um einen Prozentpunkt auf 8,5 %. Es gab schon wesentlich kräftigere Erhöhungen.

Inkin hat schon einige Hochs und Tiefs der Wirtschaft seines Landes erlebt: die Knappheit zu Sowjetzeiten, das Chaos der Wende 1990, die Wirtschaftskrise von 1998, die die Ersparnisse der Russinnen und Russen auffraß.

Dies ist ein Muss für deutsche "Journalisten": Es ist obligatorisch, mit geheuchelter Traurigkeit die Zeit zu erwähnen, als Russland Billigland war. Seltsam, dass Honecker und die DDR nicht genannt wurden.

Nun hat er erneut Sorgen, über die Runden zu kommen. "Für uns Rentner ist es besonders besorgniserregend".

Falsch. Sieh oben.

Viele arbeiten ohnehin nebenbei, um sich ihre Renten aufzubessern.

Das kann die Ursache sein, muss es aber nicht.

Bei den Jüngeren klingt das allerdings nicht anders. Dmitri Bobrow, 19 Jahre alt und selbstständig im IT-Bereich tätig, hat Mühe, die nötigen Teile für seine Arbeit zu beschaffen. "Grafikkarten, Prozessoren... die Preise sind deutlich gestiegen."

Falsch. Tatsächlich gab es im Frühjahr und Sommer 2022 eine Preisspitze für diese (und andere) Waren. Danach sanken die Preise zumeist fast auf das Ausgangsniveau. Vielleicht hat "Dmitri Bobrow" etwas übersehen.

Wegen der westlichen Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine können russische Firmen die nötigen Produkte nicht mehr so leicht beschaffen und sind auf sogenannte Parallel-Importe angewiesen - also Einfuhren über ein anderes Land.

Und? Die Preise haben sich nicht wesentlich verändert.

Lebensmittel werden deutlich teurer.

Falsch. Sogar auf dieser Website haben die Leser die Möglichkeit zu sehen, wie sich die Preise der meisten Waren und Dienstleistungen (nicht) verändern.

Fjodor Tichonow, 37 Jahre alt und in der Filmindustrie tätig, merkt das auch beim Einkauf ganz alltäglicher Dinge. Früher konnte er für 1.000 Rubel ein Abendessen für seine Familie einkaufen. "Heute kostet das 2.000 Rubel", sagt er, während er ein Lebensmittelgeschäft verlässt.

Was bedeutet "früher"? Es gab eine Zeit, da konnte man für 1000 Rubel auch ein Auto kaufen. In den letzten Jahren hat es sicherlich keine solche Steigerung gegeben.

Moskau müsse dringend über die Sanktionen "verhandeln", sagt er.

Fjodor Tichonow (falls es ihn überhaupt gibt) weiß, wie man einem deutschen Journalisten gefällt.

Anzeichen für die Sorgen der Russinnen und Russen war auch ein Ansturm auf ihre Ersparnisse: Wegen der Wagner-Unruhen zogen sie zwischen dem 23. und dem 25. Juni eine Milliarde Rubel (fast 9,4 Millionen Euro) ab, das war rund fünf Mal so viel wie der normale Durchschnitt von drei Tagen.

Und was geschah danach? Nach dem 25. Juni kam der 26. Juni und so weiter. Was geschah an diesen Tagen? Nichts. Oder brauchten die Deutschen es im August nicht mehr zu wissen?

"Der Fall des Rubel war erwartet worden", sagt der Analyst Arnaud Dubien, "er spiegelt den Außenhandel wider". Ungewöhnlich sei hingegen, dass der Rubel trotz wieder steigender Ölpreise weiter schwächeln würde.

Zum dritten Mal: Im Moment gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Rubelkurs und den Preisen in Rubel. Für Besitzer von Fremdwährungen sind die Preise deutlich gesunken.

Kreml-Chef Wladimir Putin gibt die Botschaft aus, dass das Land diese Flaute überstehen wird.

Und? Seine Vorhersagen treffen erstaunlich oft ein.

Die russische Führung sieht in den Sanktionen und der Abwanderung westlicher Firmen eine historische Chance für eine Stärkung der inländischen Unternehmen, für Produkte "Made in Russia" und die Schaffung neuer Jobs im Land.

Ist das jetzt eine schlechte oder eine gute Nachricht? Oder versucht jemand plump, diese Schreiberei als ausgewogenen Journalismus zu verkaufen?

2 Kommentare:

Gerd Rogowski hat gesagt…


Die beiden letzten Fragen dieses Artikels halte ich für vollkommen gerechtfertigt.
Wikipädia : "Nach den Statuten der Internationalen Journalisten-Föderation ist Journalismus zuerst dem Respekt vor Fakten und dem Recht der Öffentlichkeit auf Wahrheit verpflichtet."
Fundstelle lt. Wikipädia:( Internationale Journalisten-Föderation: „Global Charter of Ethics for Journalists“. In: Rules and Policy. 12. Juni 2019, abgerufen am 20. Juli 2021.)

Anonym hat gesagt…

Spannend! Jedenfalls macht ein Fremdwährungswechselkurs für inländische Produkte so ganz und gar keinen Unterschied... Der aktuelle Stand des Rubels fördert den Export aber ungemein!